Willkommen in der Willkommensklasse

Seit dem 04.04.2022 unterrichtet das Kronberg Schüler: innen aus der Ukraine. Genannt werden diese Klassen „Willkommensklassen“ und wurden schon 2015/16 umgesetzt um syrischen Schulkinder eine Schulbildung und Gemeinschaft zu geben. Nun wurden auch ukrainische Jugendliche im Alter von 13 bis 18 werden in separaten Klassen auf jeweilige Fremdsprachen unterrichten. Als Lehrerin ist Frau Frik eine wichtige Persönlichkeit der „Willkommensklasse“. Ohne ihre russischen Sprachkenntnisse, aber auch ohne ihr geschätztes Engagement wäre es dem Kronberg nicht möglich gewesen so schnell und effizient ukrainischen Schüler aufzunehmen.

Der Fasan: Wir als Außenstehende in der Redaktion waren überrascht über die rasche Einrichtung der Willkommensklasse. Für uns wirkte es gerade so als ob sie im Handumdrehen arrangiert wurde. Wie blicken Sie auf die anfängliche Organisation zurück?

Der Fasan: Wir bleiben beim Rückblick. Sie hatten gerade schon die Schüler: innen angesprochen. Gab es erste Probleme, wie z.B. die Sprachbarriere?

Frik: Dadurch, dass ich Russisch spreche war es sowohl für mich als auch für die Schüler: innen gar kein Problem. Am Anfang hatte ich zwei Schüler: innen welche mich auf Russisch schlecht verstehen konnten und mir mehr auf Ukrainisch antworteten. Im Laufe der Zeit konnte ich dann jedoch etwas mehr Ukrainisch verstehen und die Schüler konnten etwas mehr Russisch einflechten. Somit gab es keine Verständigungsprobleme.

Der Fasan: Woher können Sie fließend Russisch sprechen?

Frik: Ich bin in Usbekistan also in der ehemaligen Sowjetunion geboren und als Spätaussiedlerin mit sechzehn nach Deutschland ausgewandert. Somit kenne ich auch die Situation in eine fremde Schule geworfen zu werden. Im Laufe meiner Berufskarriere habe ich dann mein Interesse, Deutsch als Fremdsprache zu lehren, entwickelt.

Der Fasan: Nun unterrichten Sie die Willkommensklasse, konnten sich dabei die Schüler: innen sofort an ihren Unterricht anpassen? War er, wie sie ihn schon aus der Ukraine kannten, oder traten große Unterschiede auf?

Frik: Ja eher, dass es zu wenig Unterricht gab. Aus der Ukraine waren viele gewöhnt, bis zwei oder drei Uhr in der Schule zu bleiben. Zu Beginn hatten wir nur von 8.30 bis 12.30 Unterricht. Am Anfang war das natürlich fremd für sie. Aber sie haben sich auch gefreut, dass sie nicht viele Herausforderungen auf einmal bewältigen mussten. Die meisten sind mit dem Lernen der Fremdsprachen vertraut, da gab es keine Schwierigkeiten für mich, die Methoden betreffend. Aus meiner Schulzeit wusste ich auch noch, dass viel frontal unterrichtet wird. Ich hatte daher überlegt ob Dialoge, Gruppenarbeiten und Präsentationen gut angenommen werden. Dies kannten sie jedoch auch schon und es war dadurch kein Problem.

Der Fasan: Hat sich der Unterricht dann noch weiterentwickelt? Sind es nun mehr als vier Stunden Unterricht?

Frik: Ja, es war vorhergesehen von halb neun bis halb eins zu unterrichten. Jedoch hat dies nicht mit den Pausen am Kronberg zusammengepasst. Mir und auch der Schulleitung war es aber wichtig, dass die Schüler: innen, ergänzend zum regulären Unterricht, auch in den Pausen die Möglichkeit haben rauszugehen und in Kontakt zu kommen. Die Schüler: innen selbst wollten dann ebenfalls auch ein bisschen mehr lernen und mehr Deutschunterricht haben. Schlussendlich haben wir uns dann an den Stundenplan vom KGA angepasst

Der Fasan: Abseits vom Unterricht. Konnten sie auch eine Veränderung der Klassengemeinschaft oder einzelner individueller Schüler: innen wahrnehmen?

Frik: Ja. Sie sind sehr schnell in Kontakt gekommen und es hat sich eine übliche Gruppengemeinschaft gebildet. Es entstehen erste Freundschaften/Freundesgruppen, aber auch erste kleine Konflikte. Alles ohne große Auffälligkeiten und völlig normal.

Der Fasan: Gibt es Schüler: innen welche sich schon vor der Willkommensklasse kannten?

Frik: Indirekt ja, da wir auch Geschwisterkinder in der Klasse haben. Abgesehen davon waren es für alle Schüler immerzu neue Bekanntschaften, da ja stets neue Schüler: innen in die Klasse kamen. Jetzt ist die die Klasse ziemlich voll. In der vorletzten Woche gab es aber noch eine relativ süße Geschichte. Ein Schüler hatte in der Willkommensklasse einen Kindergartenfreund aus der Ukraine wieder getroffen. Beide sind getrennt voneinander geflohen, beide in Aschaffenburg angekommen und schließlich konnten wir sie, auf Wunsch beider, in einer Klasse zusammenführen.

Der Fasan: Sie hatten ja schon erwähnt, dass die Schüler: innen durch die gemeinsamen Pausen in die Schulgemeinschaft integriert werden sollen. Durch welche anderen Methoden könnten solche positiven Veränderungen verstärkt werden?

Frik: Definitiv kann das Schulgemeinschaftsgefühl noch verstärkt werden. Gegeben ist ja schon einerseits durch die Teilnahme am regulären Unterricht die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen. Natürlich ist dies aber nur auf den Unterricht begrenzt. Außer schulisch hatten wir auch versucht die Schüler: innen in einzelnen AG´s unter zu bringen. Dies verlangt aber auch Lust und Zeit von dem Schüler: innen. Einige haben das Angebot jedoch wahrgenommen und besuchen jeweilige AG´s regelmäßig. Nach den Ferien hatten wir geplant eine Vorstellungswand zu gestalten. Ich überlege dort auch eine Art Kontaktbörse unterzubringen. Dadurch wäre es denn Schüler: innen des KGA´s möglich eigene Freizeitangebote wie zum Beispiel: „Ich nehme dich mit zum Fußball“ usw. anzubieten. Gleichzeitig hatte ich die Idee eine Film-AG durchzuführen. Dort hätten sowohl deutsche als auch ukrainische Schüler: innen die Möglichkeit gehabt anhand von einem Thema einen Kurzfilm zu drehen. Es sieht jedoch danach aus, als ob die AG nicht stattfinden könnte aufgrund der geringe Anmeldezahl. Mir bleiben zum Glück ja aber noch ein paar Alternativen. So zum Beispiel plane ich offene Gesprächsgruppen, welche wahrscheinlich immer Dienstag stattfinden werden. Ebenfalls arbeiten wir an einem gemeinsamen Spieletage Programm.

Der Fasan: Könnte auch ein Buddy-Programm wie in der Coronazeit hilfreich sein?

Frik: Ja, das wäre eine sehr gute Idee. Man muss ja überdenken, dass es für die ukrainischen Schüler: innen ein großes Überwinden ist, auf die Schüler: innen zu zugehen. Durch das Programm würde die Kontaktknüpfung niederschwelliger, da man ja direkt einer Person zugewiesen würde.

Der Fasan: Wie würden Sie Schüler: innen des Kronbergs empfehlen auf die ukrainischen Schüler: innen zu zugehen? Lieber langsam annähern oder direkt ansprechen?

Frik: Da vertrau ich auf euer Bauchgefühl. Von weitem winken und vielleicht mal anlächeln. Ich glaube man erkennt dann schon durch die Körpersprache beim anderen, ob man aufeinander zugeht oder ob man zuerst einmal nur winkt und lächelt und es am nächsten Tag nochmal versucht. Ich denke des könnt ihr schon selbst gut einschätzen, wie die Reaktion auf der anderen Seite ist. Grundsätzlich weiß ich aber von meinem Schüler: innen, dass bis auf zwei, drei schüchterne alle sehr offen sind und auch Gespräche führen wollen. Man muss auch dazu sagen, dass die Schüler: innen zurzeit noch während der Pause im Klassenzimmer bleiben dürfen. Gerne kann man dort auch mal in der Pause vorbeischauen und die Chance für ein Gespräch nutzen. Die Schüler: innen würden sich sehr freuen.

Der Fasan: Wie groß wären denn noch die Sprachbarriere in einem Gespräch?

Frik: Tatsächlich sprechen viele Englisch. Ein bisschen kommen sie noch manchmal durcheinander zwischen Deutsch und Englisch, aber ich glaube im direkten Gespräch versteht man sich dann doch ganz gut. Ihr Deutsch verbessert sich ständig und schlussendlich helfen zu Not auch Hände und Füße.

Der Fasan: Am Anfang des Interviews haben wir in die Vergangenheit geguckt, nun wollen wir einen Blick in die Zukunft wagen. Haben sie dabei mehr Hoffnung oder Sorge?

Frik: Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Auf jeden Fall Hoffnung. Ich glaube, dass Sorgen und Schwierigkeiten durch die Schulgemeinschaft überwunden werden können. Da die Schüler: innen in der Klasse zwischen dreizehn und achtzehn Jahre alt sind, weiß man nicht genau, wohin die Wege nach dem Schuljahr führen. Allgemein glaube ich, dass jeder seinen eigenen Weg und Platz findet. Das Ende des Krieges können wir leider nicht herbeiführen. Aber hier am KGA ist es für alle eine hoffnungsvolle Situation.

Der Fasan: Haben Sie auch Wünsche für die Schüler?

Frik: Es hört sich zwar jetzt ein bisschen abgedroschen an, aber ich wünsche ihnen viel Durchhaltevermögen mit dem lernen einer neuen Sprache, dem Umgang mit den ständig schlechten Nachrichten, der neuen Lebenssituation in einem neuen Land, den Problemen zu Hause. Ich hoffe für sie, dass sich die Situation auf jeden Fall schnell beruhigt. Außerdem, dass sie trotz aller Sorgen hier einen geschützten Ort vorfinden. Dies bieten Aschaffenburg und das Kronberg durch eine grandiose Willkommenskultur schon an. Schlussendlich wünsche ich ihnen Durchhaltevermögen, Hoffnung und Geduld mit sich selbst.

Der Fasan: Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch und im Namen der ganzen Redaktion für Ihren Einsatz.

P.R.

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