Die Letzte Generation - Kommentar
Letzte Generation: Terroristen oder Umweltschützer?
Letzte Generation. Ein extremer Name für eine Gruppe mit ebenso radikalen Maßnahmen. Hauptsächlich bekannt für Aktionen, in denen sich Mitglieder auf die Straße kleben, um die ihrer Meinung nach zu umweltschädlichen Autos aufzuhalten. Solche Demonstrationen ihrer Ideale haben ihnen zwar die Aufmerksamkeit gebracht, die sie sich wünschten, aber nicht nur im positiven Sinn. Doch was steckt hinter der "Letzten Generation“? Sind solche extremen Handlungen wirklich übertrieben oder sind die Aktionen vielleicht sogar gerechtfertigt?
Entgegen erster Vermutungen kommt der Name „Letzte Generation“ nicht aus der morbiden Idee, dass dies die letzte Generation der Menschheit ist, sondern „nur“ die letzte Generation, die den Klimawandel, von der Gruppe auch Klimakrise genannt, aufhalten kann. Laut ihrer offiziellen Website glaubt die Gruppe, dass wir nur noch „zwei bis drei Jahre“ haben, bis die Klimakrise unaufhaltsam wird. Diese Dringlichkeit wird als Rechtfertigung genommen, um zu extremeren Mitteln zu greifen als andere Organisationen in der Vergangenheit. Die „Pflicht, gegen eine todbringende Politik Widerstand zu leisten“, wie die Demonstrant:Innen im Februar auf Twitter über Blockaden in Hamburg schrieben, wird von Mitgliedern als Begründung interpretiert, Mittel wie die Blockade mehrerer Gemälde vor den Besucher:Innen durch menschliche Blockaden und Beschmutzung einzusetzen, um Problemfelder wie fossile Energieträger und Klimakrise in die Nachrichten und somit auf den heimischen Bildschirm zu bringen. Bei diesen Taten muss man ihnen aber etwas zu Gute halten:
Bei keiner der Gemälde-Sabotagen wurde ein Kunstwerk beschädigt. Wenn die Letzte Generation Öl schüttet oder mit Kartoffelbrei wirft, treffen sie, sicher absichtlich auf Schutzglas. Die Aktivitäten verursachen keinen tatsächlichen Schaden und dienen nur dazu, Aufmerksamkeit zu erlangen. Anders steht es mit dem Verkehr. Bei einer Protestaktion wurden Anfang April vier Radfahrer:Innen verletzt und bei einer weiteren kam es Ende Oktober laut den Medien sogar zu einem Todesfall, angeblich durch Verspätung eines Krankenwagens aufgrund von Blockaden der Aktivist:Innen. Aber diese Pressemeldungen muss man hinterfragen. Es ist nämlich nicht klar, ob ein schnellerer Transport wirklich das Leben des Opfers gerettet hätte, welches am 3. November im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag. So war das Rettungsfahrzeug gar nicht hilfreich und die Aktivistengruppe hatten sogar eine Rettungsgasse freigelassen. Die Letzte Generation teilte daraufhin mit, man sei bestürzt.
Trotz Anschuldigungen einer Zeitung sind die Aktivist:Innen keine Terrorist:Innen. Sie greifen keine Menschen an, höchstens Kunstwerke. Und dies wird, wenn auch nicht unbedingt lobenswert, so doch vielleicht verständlicher, wenn man bedenkt, dass diese extremen Handlungen für die sich im Zeitdruck sehenden Mitglieder die einzige Möglichkeit scheint, genügend Aufmerksamkeit zu erreichen. Wer von euch geht noch auf „Fridays for Future“-Demonstrationen? In mitten von Energiekrise, Krieg und Inflation kann der Umweltschutz leicht in den Hintergrund geraten. Bei steigenden Preisen genießen nicht alle Bürger:Innen den Luxus, sich um Nachhaltigkeit zu kümmern. Die Klimakrise kann aber nicht so einfach zur Seite geschoben werden, sondern wird unmerklich immer gefährlicher. Und allein der Fakt, dass ihr gerade einen Artikel zu diesem Thema lest, zeigt auf, wie effektiv die Letzte Generation das brisante Thema Klimawandel zurück ins Gespräch gebracht hat.
Diese Aufmerksamkeit ist aber nicht unbedingt nur etwas Positives. Wegen der wiederholten Erwähnung der Umweltaktivist:Innen in den Medien wird zwar mehr über ökologische Probleme gesprochen, aber nicht so, wie die Gruppe es sich wünscht. Die Extremität der Protestaktionen, die so geplant sind, dass sie hauptsächlich negative Aufmerksamkeit auf sich ziehen, hat viel der geerbten Sympathie für die Umweltschützer:Innen schrumpfen lassen. Wer will sich schon für eine Sache einsetzen, spenden oder protestieren, die von „extremen“ Leuten vertreten wird? Die Aktionen, die das meiste Medieninteresse wecken, sind tendenziell die, die bei vielen Bürger:Innen eher schlecht ankommen. Der Grund für die Berühmtheit der Letzten Generation ist, dass sie etwas Neues, Radikaleres macht als andere Gruppen vor ihr. Natürlich berichtet die Tagesschau ausführlicher über das freiwillige Festkleben auf der Autobahn als über das Pflanzen von Kartoffeln vor dem Bundeskanzleramt. Das eine interessiert und entrüstet, das andere nicht. Die bewusst provozierte Entrüstung führt aber dazu, dass Klimaaktivist:Innen auch außerhalb der Letzten Generation weniger wohlwollend betrachtet werden als früher. Weiterhin ist die Letzte Generation auf die Extremität ihrer Proteste angewiesen und ist daher gezwungen, immer weiter zu eskalieren, um relevant zu bleiben. Die Redaktionen werden schließlich nicht über sie berichten, wenn sie mehrfach hintereinander die selbe Aktion wiederholen. In dieser grundlegenden Rastlosigkeit sehe ich auch die größte Gefahr. Je näher der geglaubte Kipp-punkt von drei Jahren rückt und je schwerer es wird, von den öffentlichen Medien durch bekannte Maßnahmen erwähnt zu werden, desto größer wird die Verlockung, etwas zu tun, was alles bisherige übertrifft. Dieser gewisse Druck, die vorangegangenen Taten mit immer spektakuläreren Aktionen zu übertreffen, könnte dazu führen, dass die Kritiker:Innen und Gegner:Innen der Letzten Generation sich mehr und mehr bestätigt fühlen.
Mein Fazit zur Letzten Generation ist, dass die Gruppe zwar oft nachvollziehbare Beweggründe hat, ihre Mittel und Bereitschaft, weiter zu gehen, als man sollte, jedoch gegen sie sprechen. Der Grund ihrer momentanen Berühmtheit ist, dass sie, weil sie meinen, wir hätten nur noch wenige Jahre, kurzfristig, vielleicht sogar voreilig handeln. Dadurch erlangen sie zwar jetzt Aufmerksamkeit, ob sie diese aufrecht erhalten können, wird sich aber noch zeigen. Ich hoffe, dass in der Zukunft mehr in der Politik über Klimawandel und erneuerbare Energie gesprochen wird, die Handlungen der Letzten Generation erzeugen dafür keinen guten Willen und schaden dem Ruf der Bewegung.
Wir müssen etwas gegen den Klimawandel unternehmen, aber die extremen, destruktiven Mittel der Letzten Generation lösen das Problem nicht. Bäume pflanzen und Geldspenden an Schutzorganisationen helfen der Natur mehr, als aus Protest Öl auf Straßen und Gemälde zu schütten. Wir können die Klimakrise nicht stoppen, indem wir nur zerstören, wir müssen auch Lösungsmöglichkeiten finden, ein Bereich, in dem die Letzte Generation meiner Meinung nach zu wenig beiträgt.
T.S.